Trebinje :: Goldfisch Sally ...

h a t  T r e b i n j e  i n z w i s c h e n  b e s t i m m t  wieder verlassen und alle Probleme einer Human Rights Deputy Stelle bei der OSZE an ihre Nachfolgerin weitergegeben. Sie schließt die Bürotür von innen ab. "Die kommen sonst rein", sagt sie. "Die" sind die Rückkehrer. Sie wollen ihre Häuser und Wohnungen zurück, in denen heute serbische Familien leben und sich seit ein paar Jahren ganz zu Hause fühlen. Wo die serbischen Familien herkommen, steht kein Stein mehr auf dem anderen, oder es leben kroatische oder bosnische Familien in den Häusern und fühlen sich seit ein paar Jahren ganz zu Hause.
Dieses Problem existiert nicht nur in Trebinje und nicht nur in der Republika Srpska, sondern im ganzen Land. Mag sein, dass eine Rückkehr in heute bosnisch-serbisches Gebiet für Angehörige der anderen beiden Volksgruppen am meisten Überwindung kostet: "Stellen Sie sich eine kroatische Familie vor, die in ein inzwischen rein serbisches Dorf zurückkehrt, vollgepackt mit Erinnerungen daran, was an diesem Ort geschah. Man kann auch einer Kaninchenfamilie sagen, dass sie ab jetzt im Löwenkäfig wohnt." - "Gibt  es denn soviel Hass?" frage ich. "Von Hass war nicht die Rede", sagt der Kompaniechef, "sondern von Angst." - "Ist die begründet?" frage ich. Er lächelt das Lächeln dessen, der mehr weiß. "Ich habe drei Monate gebraucht, um zu verstehen, dass es darauf nicht ankommt. Die zweite Hälfte meiner Zeit versuche ich, etwas gegen die Angst zu tun. Und dann werde ich froh sein, nach Deutschland zurückzukehren."
Trebinje liegt im südöstlichen Zipfel der Republika Srpska in einem Vierländerwinkel aus Bosnien, Kroatien, Serbien und Montenegro. Man spürt das Meer, Palmen in Kübeln am Straßenrand, und die Mittagspause in der Innenstadt dauert von zwölf bis siebzehn Uhr. Die Atmosphäre der Stadt ist mediterran, die Menschen wirken immer und überall leichtfüßig und elegant.



Was man tun muss

Falls man sich Trebinje entlang der Trebišnjica nähert, hält man den Blick streng nach rechts gerichtet und besichtigt auf diese Weise die Bewässerungsanlagen: Schaufelräder schöpfen Wasser aus dem Fluss und schütten es in flache Holzrinnen, die über Kilometer ihr sanftes Gefälle halten und das Wasser weit ins Land hinein bringen. Ein tolles System, sieht nicht nur extrem historisch aus, sondern arbeitet auch beinahe als perpetuum mobile: Die Trebišnjica schöpft sich selber aus.

Kurz vor Trebinje beim orthodoxen Kloster anhalten. Links und rechts der Auffahrt (rechte Straßenseite) stehen knallbunte Miniaturausgaben der knallbunten Kirche: Auch nicht anders als in Disneyland. Das Besondere ist, dass man Teile des Klosters auch von innen besichtigen kann. Wenn man nicht gerade einen Hund dabei hat.

Sich einen Platz im Motel Jazina (Adresse) sichern. Es befindet sich etwa 14 km vor der Stadt an der Serpentinenstraße nach Nikšić (Nikšićki Put nach Osten, Richtung Montenegro). In Trebinje selbst hält Hotel Leotar das Übernachtungsmonopol und verlangt allerbeste Preise für den allerletzten Mist. Wenn man trotzdem lieber zentral wohnt, wird einem nichts anderes übrigbleiben. Motel Jazina liegt aber im wunderschönen Canyon der Trebišnjica und hat einen eigenen Badestrand am Fluss. Angeblich gibt es auch eine moderne automatische Kegelbahn, wenn man sonst nichts zu tun hat (Übernachtung für eine Person ca. 40 K-Mark).

Ausgiebig durch Stari Grad, auch Kaštel genannt, schlendern. Die Moscheen sind dem Krieg zum Opfer gefallen, ansonsten ist die Altstadt recht gut erhalten. Enge Gassen, kleine Geschäfte, Cafés.

orthodoxe Kirche

Man kann das ca. 30 km von Trebinje entfernt liegende Ivanica besuchen, wenn man sich einen Eindruck davon verschaffen will, unter welchen Bedingungen ehemalige Flüchtlinge im Extremfall jahrelang zu leben haben, nachdem sie in ihre frühere Heimat zurückgekehrt sind. Ivanica liegt in einem schmalen Streifen Konföderationsgebiet zwischen der Republika Srpska und Kroatien. Man erfährt gleich, was es bedeutet, eine sogenannte "Pufferzone" zu sein: Weder das naheliegende Dubrovnik, noch das ebenfalls nah gelegene Trebinje sind verwaltungstechnisch für Ivanica zuständig, so dass es kaum mit einem Minimum an Hilfestellung rechnen kann. Ivanica liegt rechter Hand an der Straße Trebinje-Dubrovnik wenige Meter vor der kroatischen Grenze. Das Gelände ist vermint, unbedingt auf den Schotterpisten bleiben.

Dringend an die Adria fahren, wenn man es bis jetzt noch nicht getan hat. Von Trebinje aus kommt man in einer guten halben Autostunde über die kroatische Grenze und ist auch schon fast in Dubrovnik. Palmen, Mittelalter, sauberes Wasser, Inselhopping, Meeresfrüchte bis zum Abwinken. Die berühmten goldenen Dächer, deren Ziegel einst über Männeroberschenkeln geformt wurden, sind dem Krieg zum Opfer gefallen. Inzwischen sind sie größtenteils rot - Dubrovnik, das komplett von einer begehbaren Befestigungsanlage eingeschlossen im Meer liegt, gehört trotzdem zu den schönsten Städten Europas. Ich schwenke beim Gehen die Arme, nicht abwechselnd im Rhythmus der Schritte, sondern beide gleichzeitig vor und zurück, ein angedeutetes Flügelschlagen, und taste mit den Füßen nach festem Grund, den es nicht geben kann auf wegschwimmendem Weiß. In den Ecken unzählige Katzen, alle schwarz-weiß-rot gefleckt, sie tragen die Trikolore ihres eigenen, undurchschaubaren Staats. Vor den Mauern lungert das Meer herum und bläst seinen salzigen Atem durch die Schießscharten.

Ohne zu große Hoffnungen beim Touristenbüro am Anfang der Ul. Vladimira Gaćinovića vorbeischauen. Auch ein simpel gezeichneter Stadtplan von 1980 kann helfen.

Weniger Menschen und guten Ausblick auf Kinder, die von Most M. Tita (Tito Brücke) springen, gibt es auf den am Wasser liegenden Caféhausterrassen auf der Flussseite der Stadtmauer. Der Kaffee schmeckt super, die Musik ist zu laut: Kaštel kniet im Wasser, mittelalterlich schmale Häuser drücken Wange an Wange, mit den Rücken an die Festungsmauer gelehnt. Cafés mit Terrassen liegen wie Hausboote am Fluss, Britney Spears kriegt mit hundertfünfzig Dezibel auch das hartgesottenste Mittelalterflair klein.

Selbstverständlich auf den Crkvina Hügel klettern. Eine Wassermaus und Kröte / stiegen eines Abends spöte / einen steilen Berg hinan, einen steilen Berg hinan. Die orthodoxe Kirche auf der Hügelkuppe ist frisch renoviert, fast ein bisschen zu frisch. Die Aussicht ist so, wie Aussicht sein sollte.

Außerhalb der Stadtmauer auf der flussabgewandten Seite sitzt man vor dem Abendessen draußen vor den Cafés auf Njegošev Trg. Man kommt, sieht und wird gesehen.

Einen erschreckenden Eindruck macht der muslimische Friedhof: Die morchelförmigen Steinpfeiler sind umgestoßen, es hat gebrannt, überall liegt Müll. Ich ziehe meine kopierte Statistik aus der Tasche: Von etwa 5500 Moslems in Trebinje sind nach dem Krieg zweihundert übrig. Dorthin kommt man über die Obala Luke Vukalovića parallel zum Fluss in südlicher Richtung.


                                 Trebinje und Umgebung 

Ethnische
Zugehörigkeit

Einwohner vor
dem Krieg

Einwohner nach
dem Krieg

Davon
Vertriebene

Bosnische
Moslems

5.467

254

-

Bosnische
Kroaten

1.215

106

-

Bosnische
Serben

20.957

35.640

12.000

Sonstige

2.733

-

-

Gesamt

30.372

36.000

12.000

Quelle: Beauftragter der Bundesregierung für Bosnien Hans Koschnik http://www.bbs.bund.de/home.htm



Was man  n i c h t  tun muss

Die Versuche, aus Bosnisch, Serbisch und Kroatisch drei verschiedene Sprachen zu machen, können als gescheitert angesehen werden. Im Grunde handelt es sich um Dialekte, die von Sprachkundigen leicht auseinander zu halten sind, sich aber in Grammatik und Wortschatz kaum unterscheiden. Ich wurde bei bescheidenen Sprechversuchen häufig wegen meiner "serbischen Aussprache" ausgelacht. Um sich beliebt zu machen, sollte man bei der Äußerung, dass die Landessprache schön, aber schwer zu erlernen sei, je nach Gesprächpartner zwischen Serbisch bzw. Bosnisch bzw. Kroatisch unterscheiden.
Die Republika verwendet seit dem Krieg verschärft kyrillische Schrift. Die Beschilderung in den Städten erfolgt meist doppelt in lateinischer und kyrillischer Schrift, aber gerade richtungweisende Schilder an Landstraßen sind überwiegend kyrillisch, so dass man sich unter Umständen alle fünfhundert Meter mit der Buchstabentabelle am Straßenrand wiederfindet.


Nachts besoffen zum Motel Jazina fahren. Die Serpentinen sind erfinderisch und die Straßen nicht beleuchtet.

Streunende Hunde füttern, sonst gehören sie einem nach etwa fünf Minuten.

Erwarten, dass alle Deutsch sprechen. Was in der Herzegowina und in nördlichen Teilen des Landes tatsächlich häufig gilt, trifft hier nur begrenzt zu.

Sich über das historisch bedingte Verhältnis der Serben zu Deutschland und alles, was man während der letzten zehn Jahre über Serben gehört hat, zu viele Gedanken machen. Eine alte Weisheit, immer wieder verblüffend: Die Politik eines Staates, einer Nation oder Volksgruppe hat mit der Bevölkerung nur sehr bedingt zu tun.  

Das Auto in der Innenstadt parken. Das ist verboten, auch wenn's nicht so aussieht, und der Abschleppwagen ist schneller als der Wind. Man kann das Auto auch als Nicht-Gast rotzfrech auf dem Parkplatz des Leotar abstellen. Ich bitte darum, ein Auge auf meinen Wagen zu haben. Man verspricht in erster Linie, nicht die geringste Verantwortung zu übernehmen.


E. T. nach Hause telefonieren

     Vorwahl:
Von Deutschland aus: 00 387 - 87
Von einem Ort in Bosnien aus: 0 87

Ob die Banken über EC-Geldautomaten verfügen, kann ich nicht sagen. Im Zweifel fährt man zum Geldholen nacht Dubrovnik - da wollte man ja sowieso unbedingt hin.

Es gibt ein Internet-Café, funktioniert gut und irgendwie ist die Atmosphäre sehr nett. An der Innenseite des flusszugewandten Teils der Stadtmauer gelegen, gleich zu Beginn der Altstadt, wenn man sie von der Seite der Maršala Tita betritt. Eventuell muss man ein bisschen suchen.