:: Politik


   Der Friedensvertrag von Dayton hat aus Bosnien eine der kompliziertesten Staatsformen der Welt gemacht. Dies resultiert aus dem Versuch, die drei Volksgruppen in sämtlichen staatlichen Institutionen zu repräsentieren, so dass alles in dreifacher Ausfertigung existiert.



   Bosnien verfügt über ein dreiköpfiges Präsidium, dessen Vorsitz (das eigentliche Staatsoberhaupt) alle acht Monate wechselt. Jedes Präsidiumsmitglied repräsentiert jeweils eine der drei Volksgruppen (bosnische Serben, bosnische Kroaten, moslemische Bosnier) und wird von deren Angehörigen ins Amt gewählt.
Weiterhin gibt es je einen Präsidenten der Entität Republika Srpska (= serbisches "Bundesland" Bosniens, nicht zu verwechseln mit dem eigenständigen Staat Serbien!!) und der Entität Konföderation (= moslemisch-kroatisches "Bundesland" Bosniens).
Regierungschef ist der Vorsitzende des Ministerrats; auch hier rotiert der Vorsitz alle acht Monate.
Das parlamentarische System besteht aus zwei Kammern: Dem Abgeordnetenhaus und der Nationalitätenkammer. Sein Sitz ist Sarajevo. Die Kompetenzen des Parlaments sind viel eingeschränkter als in gewöhnlichen Demokratien, da große Teile der Zuständigkeiten bei den beiden Entitäten liegen (es gibt zwei Polizeien, zwei Armeen, zwei Steuersysteme, zwei Bildungssysteme, zwei zusätzliche "Staatsangehörigkeiten", die alle weitgehend unabhängig voneinander funktionieren). Hinzu kommt, dass die bosnische Verfassung Teil des Friedensvertrags von Dayton ist (Annex 4) und die Überwachung des Dayton-Vertrags in der Zuständigkeit der Internationalen Gemeinschaft, vertreten durch das OHR (Office of the High Representative) liegt.



    Die Hauptstadt der Konföderation ist Sarajevo, die der Republika Srpska Banja Luka. Beide Entitäten sind noch einmal in Verwaltungsbezirke unterteilt: Die Konföderation in zehn Kantone, die Republika Srpska in fünf Regionen. Der Bezirk um Brčko, der im Krieg einen heftig umkämpften Korridor darstellte, gehört beiden Entitäten an.



    Die bosnischen Serbien haben ihre Sezessionsbestrebungen aufgegeben. Es gibt aber Tendenzen kroatischer Extremisten, die gemischte Entität Konföderation zu teilen, damit Bosnien über drei "Bundesländer" - eines für jede Volksgruppe - verfüge. Diese extremistische Bewegung wird von Kroatien aus finanziell unterstützt.
Auch die durch den Friedensvertrag von Dayton geschaffene innerbosnische Grenze zwischen den beiden Entitäten bleibt eine Ursache von Streit und Unsicherheit. Einerseits befestigt diese Grenze das Ergebnis der Verteilungskriege - sie verläuft in etwa entlang der zuletzt aktuellen Frontlinie. Andererseits richtet sich die internationale Politik darauf, innerbosnische und außerbosnische Flüchtlinge an die Orte zurückzuführen, von denen sie vertrieben wurden oder geflohen sind. Die Grenze trennt also zwei ethnisch weitgehend "reine" Gebiete, während gleichzeitig für eine erneute Durchmischung der Bevölkerung gesorgt werden soll. Besonders an Orten wie in Dobrinja, wo die Grenze mitten durch einen Stadtteil Sarajevos verläuft, wird der innere Friede durch ständige SFOR-Präsenz gesichert.



    Der Krieg hat in Bosnien eine Transformation zur Marktwirtschaft verhindert und große Teile der Industrie und der Infrastruktur zerstört. Gerade gut ausgebildete Fachkräfte und Angehörige der intellektuellen Schicht haben das Land verlassen und im Ausland eine neue Existenz aufgebaut. Entsprechend ist es um Bosniens Wirtschaft bestellt. Das Land ist in weitgehendem Maße abhängig von Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Deren Vertretungen sowie auch die SFOR stellen zudem wichtige Arbeitsgeber dar.
Das Bruttosozialprodukt liegt (geschätzt!) bei etwa 10 Mrd. K-Mark im Jahr (das sind pro Kopf etwa 2500 K-Mark). Davon entfallen zwei Drittel auf die Konföderation. Das Armutsgefälle zur Republika Srpska ist erheblich, da dieser Teil des Landes aufgrund der (berechtigten oder unberechtigten) inoffiziellen Verteilung der Kriegsschuld und immer wieder auftretender Störungen der Kooperationsbereitschaft durch die politische Führung der bosnischen Serben weniger von der internationalen Hilfestellung profitiert.